Gießener Anzeiger, 19. August 2025
Gefahrenherde entschärfen
VdK-Umfrage zur Barrierefreiheit in Linden fördert Defizite zu Tage
Linden (twi). »Barrierefreiheit darf nicht am Ausgang eines Seniorenzentrums enden.« Unter diesem Motto stand ein Vortrag des stellvertretenden Vorsitzenden des VdK-Ortsverband Großen-Linden, Horst Weitze (Foto), der das Ergebnis einer Zusammenarbeit der beiden VdK-Ortsverbände Leihgestern und Großen-Linden mit den Verantwortlichen des Seniorenzentrums vorstellte.
Maurice Westbrock, der dortige Wohngruppenleiter »Betreutes Wohnen«, hatte unter Einbindung des örtlichen VdK Bewohner und Nutzer des Seniorenzentrums, des dort integrierten »Betreuten Wohnens« und der hier ansässigen Tagespflege befragt.
Die Auswertung soll dem Magistrat mit Bürgermeister Fabian Wedemann (CDU) an der Spitze zur weiteren Bearbeitung vorgelegt werden. 47 Rückmeldungen hatte Westbrock erhalten, wobei dieser zu den nun vorgestellten Auswertungen anführte, dass dabei beachtet werden müsse, dass aus dem Seniorenzentrum größtenteils jene Bewohner und Bewohnerinnen befragt wurden, die noch mobil im Stadtgebiet unterwegs seien.
Es wurden unter anderem Gefahrenstellen im Umfeld des Seniorenzentrums genannt, aber aus der Tagespflege heraus weitere Probleme im Stadtgebiet ausgemacht. Das von Weitze vorgestellte Ergebnis der Befragung ist jetzt wichtiger Bestandteil für die Arbeit des Seniorenzentrums. Konkret schildert die für die Öffentlichkeitsarbeit der Gesellschaft für diakonische Altenhilfe Gießen und Linden gemeinnützige GmbH verantwortliche und auch im Qualitätsmanagement tätige Eva Pfeiffer eine alltägliche Begegnung für die Bewohner des Seniorenzentrums: »Es ist ein sonniger Vormittag im August, als Betreuungsassistentin Katharina Schneider eine Bewohnerin des Seniorenzentrums Linden auf ihrem Weg zum nahe gelegenen Netto-Markt begleitet. Klingt nach einem einfachen Spaziergang, doch schon in der Theodor-Heuss-Straße werden beide ausgebremst«.
Schneider führt aus, wie schwierig es ist, hier die Straße zu überqueren, müsse man sich zum Teil sehr weit auf die Straße vorwagen, um den Verkehr überhaupt einsehen zu können, weil parkende Autos die Sicht erheblich einschränkten. Hinzu komme, dass die Gehwege zwar abgesenkt sind, um das Überqueren zu erleichtern, jedoch meist nur direkt an der Kreuzung, wo der Verkehr am dichtesten und die Straße am breitesten ist.
Weitere Probleme ergeben sich dann auf dem Weg zum Einkaufsmarkt: »Es gibt einen kleinen Trampelpfad am Rand des Parkplatzes, der den Weg deutlich verkürzen würde. Aber der ist für Menschen mit Mobilitätseinschränkung nicht begehbar, weil er steil und uneben ist«, erklärt die Betreuungsassistentin. Der offizielle Fußweg führt stattdessen entlang der Großen-Lindener Straße und ist damit deutlich länger und anstrengender für Menschen, die aus Richtung des Seniorenzentrums kommen.
Heikle Autoeinfahrt
Besonders heikel ist der dreispurige Autoeingang zum Parkplatz in der Kurt-Schumacher-Straße: Hier gibt es keine Abgrenzung für Fußgänger. »Es wäre schon viel gewonnen, wenn hier ein eigener Gehstreifen wäre.« Ideal wäre jedoch ein barrierefreier, sicherer Zugang auf der Höhe des Trampelpfades – abseits vom Parkplatzverkehr, direkt am Gebäude entlang, im Schatten.
Auch abseits des Gewerbegebiet Großen-Lindener Straße (Am Pfad) in Leihgestern laufe nicht alles rund. So werde etwa jener verkehrsberuhigte Bereich der Klausegasse zwischen Park und Seniorenzentrum laut Beobachtungen der Mitarbeiter und Bewohner regelmäßig mit überhöhter Geschwindigkeit durchfahren.
Zudem weise in diesem Bereich die gepflasterte Straße tiefe Fahrrillen auf, weshalb es mit dem Rollator schwierig sei, sich hier zu bewegen.
Generell gelte, dass gerade im Umfeld des Seniorenzentrums die Bordsteine häufig zu hoch für Rollatoren und erst recht für Rollstuhlfahrer seien. Der Einstieg auf den Gehweg vor der Tagespflege werde durch Schottersteine erschwert.
Menschen mit Rollstuhl müssten auf der Straße fahren, bis der Wechsel möglich ist. Allerdings seien auch einige Fußgängerwege zu schmal. Die Theodor-Heuss-Straße bräuchte eine Übergangshilfe. Weitze sprach sich angesichts der Ergebnisse für eine bessere Sichtbarkeit an Übergängen durch klare Markierungen aus. Darüber hinaus sollten an unübersichtlichen Stellen Spiegel aufgestellt und auch die Beleuchtung verbessert werden.
Konsequente Kontrolle
Ebenso gewünscht werde auch eine konsequentere Kontrolle von parkenden Fahrzeugen auf Gehwegen. Rund um das Seniorenzentrum, wo viele Menschen mit Mobilitätseinschränkungen unterwegs sind, seien breitere, sanierte Gehwege unerlässlich. Ganz oben auf der Wunschliste der Befragten finden sich Sitzmöglichkeiten mit Wetterschutz, barrierefreie Eingänge und mehr Zebrastreifen, während eine bessere Beleuchtung und auch eine Ausbesserung der Gehwege (»Flickschusterei«) ganz unten auf der Wunschliste zu finden sind.
»Eine Gesellschaft, die älter wird, muss sich auch darauf einstellen. Es darf nicht sein, dass Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator gezwungen sind, Umwege zu gehen oder sogar auf die Straße auszuweichen. Barrierefreiheit betrifft uns alle, früher oder später«, so Weitze.
Das wünscht sich auch das Seniorenzentrum zitiert Pfeiffer ihre Kollegin Katharina Schneider mit den Worten: »Wir können im näheren Umkreis nicht 100-prozentig sicher spazieren gehen«. Der Alltag vieler älterer Menschen werde durch bauliche Hürden, Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr und mangelnde Infrastruktur unnötig erschwert.
Weitze vom VdK Großen-Linden wünscht sich daher, dass die Ergebnisse der Umfrage in die Stadtplanung einfließen und möglichst konkrete Verbesserungen angestoßen werden.