Gießener Anzeiger, 11. November 2024
Anwohner machen Unmut Luft
Diskussion um Lindener Schnellbuslinie – Bedarfsanalyse angemahnt
Linden (twi). Ob ein Angebot erforderlich ist, das täglich mit 1000 Plätzen und somit zehn Prozent der Bevölkerung nach Gießen fährt, bezweifelte am Ende einer fast einstündigen Aussprache Lothar Röhn. Stadtverordnetenvorsteher Axel P. Globuschütz (Grüne) dagegen zeigte sich optimistisch: »Ich hoffe, dass dieses Angebot genutzt wird.« Röhn konterte: »Hätten Sie eine Bedarfsanalyse gemacht, dann müssten Sie nicht hoffen.«
Eben jene fehlende Bedarfsanalyse war es, die von den Anwohnern der Alte Heerstraße in Großen-Linden während einer »außerordentlichen Bürgerfragestunde «, wie es Globuschütz nannte, vor der Bauausschusssitzung behandelt wurde. Hatte doch die Bürgerfrageviertelstunde vor der jüngsten Parlamentssitzung nicht ausgereicht, um die Fragen der Anwohner zu beantworten (der Anzeiger berichtete).
»Geklärt ist gar nichts«
Globuschütz´s Hoffnung, dass die den Anwohnern übermittelte Stellungnahme der Fraktionen CDU/Grüne/SPD/FDP »zur Klärung beigetragen
hat«, wies Hannelore Weber umgehend zurück. »Geklärt ist gar nichts. Der von Gudrun Lang unterzeichnete Brief hat keine Aussage und beantwortet unsere Fragen nicht. Wir warten auf die Expertise.«
Weber fragte, was die Anwohner von dem folgenden Satz halten sollten: »Ein konkreter Bedarf, gemessen an Zahlen für ein neues Angebot, dass es in dieser Form noch nicht gegeben hat, ist nicht zu beziffern, jedoch wurde uns von fachlicher Seite Potenzial bestätigt und Rückmeldung zum neuen Angebot lassen auch erwarten, dass dies gut angenommen werden wird.« Sie fragte: »Wo ist die Expertise? Wie kommt das zustande?« Doch noch mehr als diesen Satz im von Gudrun Lang (SPD) unterzeichneten Schreiben der Fraktionen CDU/Grüne/SPD/FDP ärgerte Weber und die Anwohner jener Satz: »Die von Ihnen beschriebenen Szenarien, dass andere Verkehrsteilnehmer dann wegen den Bussen über den Bürgersteig fahren oder während der kurzen Haltezeit für den Ein- und Ausstieg sich Hupkonzerte ergeben, können wir aber nicht teilen. Wir haben hierzu auch eine fachliche Expertise eingeholt und derartiges ist explizit auf Hauptstraßen nicht bekannt.«
Müllmänner würden angepöbelt, auf der Straße gedreht und auch Videos auf Internetplattformen wie etwa Dashcam.com zeigten die Realität, vor der Politik und Stadtverwaltung die Augen verschlössen.
Vom Ordnungsamt zu hören, »wer in der Alte Heerstraße wohnt – das ist kein Wunschkonzert und außerdem ist Hessen Mobil zuständig « zeuge keinesfalls von Verständnis. Weber dankte dem AfD-Stadtverordneten Nicolas Kuboschek. Dieser hatte den Anwohnern übermittelt, dass er dem Beschluss nicht zugestimmt habe, »da für mich Argumente gegen die Einrichtung überwiegen. Zuerst sind hier die Kosten zu nennen. Ich glaube nicht, dass der Mehrwert, nämlich das tägliche 18-beziehungsweise 17-malige Abfahren der Strecke von und nach Gießen den Standort Linden attraktiver macht«.
Verstimmung über RMV
Für Verstimmung bei den rund ein Dutzend anwesenden Anwohnern hatte auch eine Anfrage beim Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) nach der Auslastung der Buslinien in Linden gesorgt. Lautete die Antwort doch: »Fragen Sie ihre Stadt.« »Und auch da bekommen wir keine Zahlen. Sind diese nicht schriftlich niedergelegt? «, wollte Weber wissen. Globuschütz bestätigte erneut, »das, was es gibt, haben Sie. Es gibt keine Befragung hinsichtlich Wünschen«, verwies er zudem darauf, dass es den Fraktionen darum ginge, eine Verbesserung für Linden zu erreichen.
»Man kann doch nicht 1,2 Millionen für eine solche Expertise ausgeben. Es wurde nie ein Bürger gefragt. Mir fehlt eine Bedarfsanalyse. Hier wird Geld vom Steuerzahler ohne Bedarfsanalyse rausgegeben«, monierte Röhn, dem Globuschütz entgegenhielt: »Wir wissen, dass ein Bedarf besteht. « Den Freien Wählern hatten die Unterlagen nicht ausgereicht, sie hätten die Angelegenheit gerne ausführlich im Ausschuss behandelt haben wollen, teilte FW-Fraktionsvorsitzender Joachim Schaffer mit. »Das Parlament hat es beschlossen und dann ist das so.« Dem pflichtete Weber bei: »Das hätte man besser prüfen sollen und nicht auf diese Schnelle«, derweil Anwohnerin Susanne Kutscher auf den »so toll gearbeiteten ÖPNV Ausschuss, dem die Deadline nicht bekannt war und deshalb im Juni alles schnell erfolgen musste« verwies.
Nutzung kontrollieren
»Wir sagen, wir bieten mehr und damit gewinnen wir Menschen, die Lust haben, den ÖPNV zu nutzen«, so Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Christof Schütz. »Ich bin voll dafür, der ÖPNV muss attraktiver werden, aber muss jeder Bürger dieser Stadt dafür elf Euro bezahlen, dass dieser Bus fährt? Was passiert mit dem Bus, wenn er nicht ausgelastet ist?«
»Wir werden es kontrollieren, wie er genutzt wird, und mit der Verkehrsgesellschaft die gefahrenen Kilometer reduzieren oder erhöhen«, so Bürgermeister Fabian Wedemann.