Mobiler Wochenmarkt
Gießener Allgemeine Kreis Gießen Linden 17. Oktober 2023
Jeden Freitag in Linden: Petra Braun betreibt mobilen Wochenmarkt
von Stefan Schaal
Das Aus des Wochenmarkts im Lindener Stadtzentrum vor 20 Jahren war Startschuss für eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte: Bis heute betreibt Petra Braun einen mobilen Wochenmarkt. Jeden Freitag fährt die ehrenamtliche Stadträtin sechs Standorte an.
Petra Braun öffnet den Kofferraum ihres Autos. Wenige Augenblicke später strömt der Duft von frisch gebackenem Bauernbrot über den Platz am Rondell in der Obergasse in Großen-Linden. Der mobile Wochenmarkt in Linden ist eröffnet. Wie jeden Freitagnachmittag.
Seit nun 20 Jahren betreibt Braun in Linden ein kreisweit einzigartiges Angebot: Als 2003 ein Wochenmarkt nach 15 Jahren im Lindener Stadtzentrum aufgegeben wurde, begann sie kurzerhand selbst, durch den Ort zu fahren und an sechs Stationen Bauernbrot, Handkäse und Eier zu verkaufen. Ihr Angebot - bis 2018 noch gemeinsam mit Imker Wilfried Zörb - hat sich schnell zu einer festen Institution etabliert.
Der Wochenmarkt im Stadtzentrum mit anfangs 17 Ständen habe sich irgendwann nicht mehr gelohnt, berichtet Braun. Am Ende waren dort nur noch zwei Beschicker vertreten. Sie hat dort damals selbst an einem Stand Brot, Handkäse und Eier verkauft. »Viele Ältere aus dem alten Ortskern haben gesagt, dass der Weg zum Stadtzentrum für sie arg weit war.« Ihr in diesem Jahr verstorbener Mann, erzählt Braun, habe damals die Idee des mobilen Wochenmarkts geäußert: »Wir fahren jetzt rund.«
Es ist ein früher Freitagnachmittag, kurz nach 13 Uhr. Eine Familie nähert sich dem Wagen Brauns in der Obergasse, der ersten Station des mobilen Wochenmarkts. »Ein ganzes Brot und viermal Handkäse«, sagt ein Mädchen. »Wieviel kostet das?«
Braun rechnet den Preis laut und langsam durch, kommt auf 10,80 Euro, da beginnt das Mädchen von seinem Tag in der Kita zu erzählen. »Heute konnten wir in den Kindergarten gehen«, erzählt es. Die Mutter ergänzt, dass ihre Tochter wegen Personalmangels in der Kita in den vergangenen Tagen zu Hause geblieben sei. Heute aber sei das Mädchen mit der gesamten Kita-Gruppe im Kindergarten gewesen, um sich von einer scheidenden Erzieherin zu verabschieden.
Während die Familie sich mit Braun unterhält, tritt ein älterer Mann an das Auto heran, kurz darauf erzählt er von seinem Hund, eine weitere Kundin schwärmt wenig später von dem ofenwarmen Bauernbrot, plaudert kurz über das Wetter. Und schnell wird klar, dass hier noch mehr im Mittelpunkt steht als frische Lebensmittel. Es geht auch um das Schwätzchen am Freitagnachmittag, während kurz vor dem Wochenende die Hektik des Alltags weicht.
»Klar«, räumt die 65 Jahre alte Braun ein. Der Kontakt mit den Lindenern liege ihr am Herzen. »Ich brauche Menschen um mich herum.« Immer wieder ist das raue und herzliche Lachen Brauns zu hören, während sie mit ihren Kunden plaudert.
Ohnehin steht kaum jemand so mittendrin im Ortsgeschehen wie die dienstälteste ehrenamtliche Stadträtin Lindens, die seit nun 30 Jahren im Magistrat sitzt und die in der Stadt so gut wie jeden und alles kennt. Braun, Tochter des mehr als drei Jahrzehnte amtierenden Bürgermeisters Hans Schmidt in Hüttenberg, engagiert sich zudem seit einem Vierteljahrhundert im Vorstand des Karnevalvereins »Harmonien«.
Bevor Braun zur nächsten Station in Richtung Goethestraße aufbricht, öffnet sich neben ihrem Wagen eine Hoftür. Marion Laub hat von ihrem Zuhause nur drei, vier Schritte zu laufen, dann steht sie vor Brauns Kofferraum. Braun legt einen Brotlaib und Handkäse in Laubs Korb, schnell streut sie noch Kümmel über den Handkäse.
Das Brot und den Kümmel holt Braun in Hüttenberg, die Eier in Garbenteich. Braun, gelernte Bankkauffrau, bildete mit ihrer Schwester Karin Schmidt die »Käsemädels aus Hüttenberg«, auf dem Wochenmarkt in Hanau waren sie – in fünfter Generation – eine feste Größe. bis zu Beginn der Corona-Pandemie die Beschickergemeinschaft endete. Auch der Bus der »Käsemädels« ist inzwischen Vergangenheit, Braun ist daher mit ihrem mobilen Wochenmarkt inzwischen in ihrem Pkw unterwegs.
Für einen Moment kommt Braun noch einmal auf den von 1988 bis 2003 existierenden Wochenmarkt im Stadtzentrum zu sprechen. »Wir hatten unter anderem einen Fischhändler, zwei Obststände, meine Wenigkeit, einen Bäcker und einen Imker.« Immer wieder hat es Bestrebungen gegeben, den Wochenmarkt wieder ins Leben zu rufen. Braun winkt ab. »Das ist vorbei«, sagt sie. Das Stadtzentrum werde eben nicht so sehr wie erhofft angenommen. Sie selbst denkt derweil mit 65 noch lange nicht ans Aufhören. Den mobilen Wochenmarkt wolle sie weiterführen, sagt sie, solange sie fit sei.
Sechs Stationen jeden Freitag ab 13.30 Uhr
Der mobile Wochenmarkt Petra Brauns startet freitags um 13.30 Uhr in der Obergasse am Rondell, um 14 Uhr ist er in der Goethestraße. Um 14.30 Uhr ist im Forst der Parkplatz bei den Tennisplätzen Station, ab 15 Uhr geht es ins Stadtzentrum. Um 15.30 Uhr steht Braun auf dem Georg-Heß-Platz vor der Heimatstube. Um 16.45 Uhr endet die Tour vor dem Sportheim der TSG Leihgestern.