Bau am Bahnhof
Gießener Allgemeine Kreis Gießen Linden 25. August 2023
120 Wohnungen am Bahnhof in Linden: Baustart ungewiss - Weiter Kritik an Nähe zu Gleisen
Stefan Schaal
Der Baustart für das Vorhaben von rund 120 Wohnungen nahe der Gleise am Bahnhof in Großen-Linden zieht sich. Es gibt weiterhin Kritik an dem Projekt.
Linden - Es ist still geworden um das rund 25 Millionen Euro teure, im vergangenen Jahr im Stadtparlament beschlossene Bauprojekt am Bahnhof in Linden. Nahe der Gleise sollen dort rund 120 Wohnungen entstehen. Mehrere Jahre lang hat das Vorhaben hitzige Diskussionen entfacht - geschürt vor allem von Anwohnern in einer Bürgerinitiative.
Das Projekt lebe noch, versichert Architekt Felix Feldmann. Derzeit feile man an der Grundstücksbildung. Baustart werde möglicherweise im kommenden Jahr sein. Fest stehe dies allerdings nicht. »Das Projekt steht momentan nicht auf der Nummer eins unserer Prioritätenliste.«
Vier Mehrfamilienhäuser auf einem schmalen Streifen in Großen-Linden
Ein maßgeblicher Hintergrund ist, dass der Bau-Boom der vergangenen Jahre im Wohnungsbereich zum Erliegen gekommen ist, auch aufgrund stark gestiegener Baukosten. »Der Druck ist raus«, sagt Feldmann. Es komme darauf an, für den Baustart »den richtigen Zeitpunkt zu finden«.
Auf einem schmalen Streifen sollen am Bahnhof in Großen-Linden zwischen den Gleisen und der anliegenden Sudetenstraße vier Mehrfamilienhäuser entstehen. Innenverdichtung ist das Ziel.
Unterdessen haben der Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland und der Fahrgastverband »Pro Bahn & Bus« kürzlich ihre Kritik an dem Vorhaben bekräftigt. Sie bemängeln, dass an der Stelle ein möglicher viergleisiger Ausbau der stark befahrenen Main-Weser-Bahn nicht ausreichend bedacht werde und das Bauvorhaben zu nah an der Bahntrasse geplant sei. Ihre Kritik richten sie vor allem an das Regierungspräsidium, das im Dezember vergangenen Jahres eine Änderung des Flächennutzungsplans zum Bebauungsplan »Am Bahnhof« genehmigt hat.
Verkehrsclub und „Pro Bahn & Bus“ bekräftigen Kritik an Projekt
Das Regierungspräsidium, so erklären der Verkehrsclub Deutschland und »Pro Bahn & Bus«, setze sich »über den Wortlaut und die Bedeutung des Regionalplans, dessen Hüter es sein sollte, hinweg«.
Die Bahnstrecke wird derzeit zwischen Friedberg und Frankfurt auf vier Gleise ausgebaut. Folgerichtig sehe der Regionalplan Mittelhessen für die Main-Weser-Bahn auch nach Norden über Friedberg hinaus bis zum Bahnknotenpunkt Gießen verbindlich »die Ausbauoption für ein drittes und viertes Gleis« vor.
Der Regionalplan schließe »entgegenstehende Raumansprüche« ausdrücklich aus. Aufgrund der Nähe des Lindener Bauvorhabens zu den Gleisen, so erklären der Verkehrsclub Deutschland und »Pro Bahn & Bus«, sei eigentlich ein Abweichungsverfahren erforderlich. »Das Regierungspräsidium Gießen hat jedoch ohne ein solches Abweichungsverfahren eine Bauleitplanung der Stadt Linden genehmigt, die das geplante Wohnungsprojekt eines privaten Investors im Bahnhofsbereich so nah an die bestehende Trasse heranrücken lässt, dass nach unserer Überzeugung der viergleisige Ausbau der Main-Weser-Bahn verhindert wird.«
Architekt: »Es ist ein Klimmzug«
Architekt Feldmann hat bereits vor einem Jahr im Gespräch mit dieser Zeitung betont, dass man einen möglichen viergleisigen Ausbau sehr wohl berücksichtige. Der Abstand der geplanten Mehrfamilienhäuser zu den Gleisen sei ausreichend. »Die Planung ist durch alle Instanzen gegangen.« Auch die Bahn habe keine Einwände gegen das Bauprojekt geäußert. Feldmann räumte ein, dass die Planung auf dem engen Raum durchaus anspruchsvoll sei. »Es ist ein Klimmzug.«
Ein Sprecher des Regierungspräsidiums erklärt auf Nachfrage dieser Zeitung, dass das Bauvorhaben zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen des Beteiligungsverfahrens tatsächlich »nicht mit den Zielen der Raumplanung vereinbar war«.
Ein daraufhin vom Investor beauftragtes Ingenieurbüro habe aber einen Regelquerschnitt erstellt, mit dem aus Sicht der Regionalplanung dargelegt wurde, dass mit der Planung weiterhin die Ausbauoption der Main-Weser-Bahn auf bis zu vier Gleise gewahrt bleibe. So sei im südlichen Bereich des Plangebiets die Baugrenze nach Westen verschoben worden.
Regierungspräsidium reagiert auf Kritik
Außerhalb des Geltungsbereichs gebe es weiter südlich ein denkmalgeschütztes Bahnhofsgebäude, dieses stelle eine bauliche Grenze für Planungen dar, die über ein Gleis und einen Bahnsteig hinausgehen. »Die Ausfüllung dieser Spielräume ist«, betont das Regierungspräsidium, »Aufgabe der Fachplanung.«
Auf die Frage, mit welcher Begründung das Regierungspräsidium die Änderung des Flächennutzungsplans genehmigt hat, erklärt der Sprecher, dass auf Ebene der Regionalplanung ein Nachweis zu erbringen gewesen sei, »dass die Umsetzung eines dritten und vierten Gleises durch die Planung nicht verhindert wird«. Aus Sicht der Raumordnung sei dies durch übersandte Querprofile und der insbesondere im südlichen Geltungsbereich angepassten Planung erfüllt worden. Nach den im Bauleitplanverfahren vorgelegten Querschnitten befinde sich die Baugrenze in einem Abstand von 12,40 Meter beziehungsweise 13,60 Meter zur Mitte des bestehenden westlichen Gleises.
Es müssten Konkretisierungsspielräume für kommunale Planungen verbleiben, fügt der Sprecher des Regierungspräsidiums hinzu. »An die Zielkonformität einer Planung dürfen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden.« Eine Prüfung örtlicher Einzelheiten und Gegebenheiten und die Einhaltung spezifischer fachlicher und fachgesetzlicher Anforderungen seien schließlich Aufgabe der Fachplanung.
Eine detaillierte ingenieurtechnische Ausarbeitung eines eventuellen späteren weiteren Bahnsteiges sei nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens gewesen. Dies müsse in der Zukunft Teil einer späteren Umsetzung eines dritten Gleises auf der Westseite sein »und entzieht sich darüber hinaus auch der Ebene der Regionalplanung«. (Stefan Schaal)